Gemeinsam in der Verantwortung

Begonnen hatte es mit dunklen Wolken, die sich zu einer undurchdringlichen Masse verdichteten. Dann: Ein sintflutartiger Starkregen, Hagel und sogar Schnee. Ein Gewitter wie jenes am Freitagabend, 12. Juli 2024, hatte die Region Rorschach schon lange nicht mehr erlebt. In Rorschacherberg verwandelten sich Bäche in reissende Flüsse. Sie fluteten die Strassen, die Wassermassen strömten durch die Stadt bis hinunter zum See.

Im Katastrophenfall priorisieren

Das Gewitter dauerte keine halbe Stunde, wütete aber umso heftiger. Über 80 Meldungen gingen bei der Feuerwehr ein. Alarm im Minutentakt: Überflutete Keller und Garagen, Wassermassen und Schwemmholz auf den Strassen. “In solchen Fällen müssen wir uns klar an unsere Aufgaben und Abläufe halten”, sagt Marco Todeschini, Kommandant der Feuerwehr Rorschach-Rorschacherberg. Es gilt: Prioritäten setzen und dann eins nach dem anderen. Dafür habe die Bevölkerung nicht nur Verständnis gezeigt. Dass zum Beispiel eine Tiefgarage im Zweifel vor dem Einfamilienhaus-Keller ausgepumpt wird, oder dass die Feuerwehr nicht dafür zuständig ist, einen Keller danach auch zu putzen, sei manchen sauer aufgestossen. “Im Notfall denken viele, das eigene Problem stehe über allem”, sagt der Feuerwehrkommandant. “Unsere Pflicht ist es aber, eine Gesamtbeurteilung zu machen.”

Auch Ronnie Ambauen, Bereichsleiter Bau und Stadtentwicklung Rorschach, betont: “Als Ersteinsatzelement ist es die Aufgabe der Feuerwehr, unmittelbare Gefahr abzuwenden.” Die städtischen Aufräumarbeiten wurden in der Nacht auf Samstag organisiert und verteilt. So haben die zur Verfügung stehenden Mitarbeitenden des Rorschacher Werkhofs öffentliche Strassen und Plätze freigeräumt, die Stadtgärtnerei hat sich um zerstörte Grünflächen gekümmert. Dass kosmetische Aufräumarbeiten in der Regel nicht übers Wochenende erledigt werden, liegt daran, dass die Stadt keine Pikettelemente für solche Fälle zur Verfügung hat. “Alles, was übers Wochenende erledigt wird – zum Beispiel das Freiräumen von Hauptverkehrsachsen – kommt on top zum Alltags- oder eben Wochenendgeschäft”, sagt Ronnie Ambauen. Für die Einsatzkräfte war es ein herausforderndes, kräftezehrendes Ereignis. Die Feuerwehr Rorschach-Rorschacherberg erhielt dabei Unterstützung von den Feuerwehren Goldach und Steinach. Die Bilanz: 910 Mannstunden. Die Feuerwehr arbeitete am besagten Freitag bis tief in die Nacht. “Am frühen Morgen war das Gröbste bereits beseitigt”, sagt Marco Todeschini. “Das war ein hervorragender Einsatz unserer Leute.”

Untersuchungen in Rorschacherberg

Besonders betroffen war das Rorschacherberger Gemeindegebiet. Hier überschwemmten die Bäche ganze Strassen, Hinterhöfe und Plätze. “Wir hatten in den vergangenen Wochen verschiedene Nachbesprechungen zum Ereignis, beispielsweise zwischen Werkhof und Feuerwehr”, sagt Gemeindepräsident Patrick Trochsler. Dabei stellte sich heraus, dass Meldungen aus der Bürgerschaft künftig besser gebündelt werden sollten. “Die Leute versuchen es im Notfall auch über kurze, direkte Wege. Bei einem solchen Grossereignis müssen diese Meldungen aber richtig kanalisiert und die Protokolle eingehalten werden”, sagt Trochsler. Das gewährleiste, dass die Entscheidungen von jenen getroffen werden, die diese letztlich auch verantworten müssen und den Überblick behalten.

Neben überfluteten Strassen und Kellern standen Räume im Untergeschoss des Rorschacherberger Gemeindehauses knietief unter Wasser. Gemeinsam mit einem Präventionsexperten der Gebäudeversicherungsanstalt wird deshalb nun untersucht, wie man das Rathaus besser vor Hochwasser schützen kann. Der Kanton prüfe ausserdem, ob die Naturgefahrenkarte noch aktuell sei, sagt Trochsler. “Aus den Ergebnissen dieser Untersuchungen werden wir im Anschluss mögliche Massnahmen ableiten.”

Wem der Boden gehört, steht in der Pflicht

Tritt ein Bach am Berg über die Ufer, kann das Auswirkungen über die Gemeindegrenzen hinaus haben. Für den Unterhalt und die Instandhaltung der Bachläufe und Eindolungen ist grundsätzlich die Grundeigentümerschaft zuständig, sagt Ronnie Ambauen. In den meisten Fällen seien das private Eigentümer und nicht die öffentliche Hand: “Jede Eigentümerschaft steht in der Pflicht, sich damit auseinanderzusetzen. Die Projektierung von wasserbaulichen Massnahmen und Revitalisierungsmassnahmen an Gemeindegewässern und an den übrigen Gewässern ist hingegen Aufgabe der Stadt oder Gemeinde. Damit steht die öffentliche Hand genauso in der Pflicht, solche Naturgefahren vorausschauend in die Stadt- und Ortsplanung miteinzubeziehen. Es ist eine gemeinsame Aufgabe.” Für Feuerwehrkommandant Marco Todeschini ist derweil klar: “Solche Wetterextreme werden häufiger.” Um sie bewältigen zu können, müssen Einsatzkräfte künftig noch flexibler und einfacher von Ort zu Ort verschoben werden können. Das erfordert die nötige Ausrüstung und modulare Fahrzeugelemente. Die Feuerwehr Rorschach-Rorschacherberg ist deshalb schon seit längerer Zeit daran, ihr Konzept danach umzustellen. “Es braucht ein Umdenken.”

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