Am Samstag ziehen scharenweise Samichläuse durch Rorschach

Am Samstag, 7. Dezember um 18 Uhr startet der Chlauseinzug in Rorschach. Wie es vor 20 Jahren dazu kam und wer dafür verantwortlich ist, erfährst du im Bericht „HoHoHo – der Zauber von Rorschach“, der heute auch in der Zeitschrift St. Galler Bauer erschienen ist.

Einmal im Jahr – Anfang Dezember – zieht ein Heer von Samichläusen über Rorschachs Hauptstrasse. Herzen hüpfen und nicht nur Kinderaugen strahlen. Möglich macht dies die Zunft St. Nikolaus, eine Gemeinschaft aus lauter Männern, die Kindheitsträume am Leben erhalten.

„Der Chlauseinzug in Rorschach ist für mich mehr als eine Tradition. Er ist ein Zauber, der für immer und ewig erhalten bleiben sollte“. Bei diesen Worten strahlen die Augen des Zunftmeisters Gregor Thurnherr. „Überhaupt sind Traditionen für mich wichtig im Leben. Sie bringen Menschen zusammen und sind identitätsstiftend. Der Zunft St. Nikolaus ist es erfreulicherweise gelungen, einen Brauch neu zu entwickeln, der zur Tradition geworden. »

Lustig dabei: Er selbst hat – wie so manch einer am Strassenrand – ein wenig Respekt vor Samichläusen. „Bei den Kindern gibt es zweierlei Sorten. Jene, die sich hinter den Beinen ihrer Eltern verstecken, wenn der Samichlaus in die Nähe kommt oder jene, die an liebsten den ganzen Abend auf dessen Schoss sitzen würden.»

Zünftig geübt für den Samichlaus
Was man untrennbar mit dem Samichlaus verbindet, sind die Sprüchli aus dem Mund der Kinder. „Die Verse und Sprüche haben sich in den letzten Jahren gewandelt. Klar hören wir Jahr für Jahr das «Saminigginäggi», aber es gibt immer wieder neue Sprüche. Richtig schöne, die uns genauso gut gefallen.“ Lernen die Kinder diese Sprüchli immer noch im Kindergarten oder in der Schule, wie wir damals als Kinder? „Das hängt stark von der Lehrperson ab. Auf jeden Fall üben die Kinder zünftig, so dass sie ihr Chlaussäckli redlich verdienen.»

Zünftig ins Zeug legt sich auch die Rorschacher Zunft St. Nikolaus. Beim Wort Zunft fühlt man sich zwar unweigerlich zurückversetzt in die Vergangenheit. Da relativiert Thurnherr aber flink: «Wenn wir uns mit anderen Zünften vergleichen, sind wir mit unseren zwanzig Jahren sehr jung. Und trotzdem fühlt es sich an, als gäbe es unsere Zunft schon ewig.» Für ihn, der letztes Jahr als neuer Zunftmeister gewählt wurde, ist das Amt eine Herzensangelegenheit. «Der Chlauseinzug ist für mich ein Anlass, bei dem die Figur des St. Nikolaus gewürdigt wird. Zu ihr sollten wir Sorge tragen, sie über Generationen weitertragen, denn sie erweckt in jedem Erwachsenen Kindheitsgefühle.»

Thurnherr wird am 7. Dezember nicht nur den Stab des Heiligen auf der Kutsche in der Hand halten, sondern auch erstmals die imaginären Zügel des einzigartigen Events. Die Rosinen gibt er zwar gerne weiter: „Die grösste Arbeit verrichtet unser Statthalter Stefan Meier, der den Anlass von A-Z organisiert.»


Durchorganisiert bis ins kleinste Detail
Auch für den restlichen Vorstand, der letztes Jahr gesamterneuert wurde, ist es der erste Chlauseinzug unter ihrem Zepter. Nebst Zunftmeister und Statthalter gibt es einen Säckelmeister und einen Materialwart, der Herr über Samichlaus-Gewänder, Bärte, Laternen, Glocken und Sonstiges.

Bedeutet frisches Blut auch eine andere Stossrichtung? «Jein. Es gibt sicher Dinge, die wir weiterentwickeln oder anders anpacken als unsere Vorgänger. Aber Traditionen und Beständigkeit sind uns heilig.» Was er damit meint, zeigt er gleich mit einem Video, das die Kleidervorschriften an der HV visualisiert. Schwarze Hosen, dunkle Schuhe, weisses Hemd und der Zipfel, der rechts am Hosenbund baumelt. «So möchten wir auch optisch unseren Zusammenhalt zeigen.»

Zur HV treffen sich die 120 Mitglieder im Sommer. Neue Mitglieder werden im Freundeskreis gefunden und durch die Versammlung aufgenommen. «Unsere Zunft ist kein Serviceclub, der für berufliche Vernetzung sorgen soll. Die Mitglieder sind aus privaten, kameradschaftlichen und vor allem aus emotionalen Gründen dabei.»

Zur HV treffen sich die 120 Mitglieder im Sommer. Neue Mitglieder werden im Freundeskreis gefunden und durch die Versammlung aufgenommen. Dazu sagt Gregor Thurnherr: «Unsere Zunft ist kein Serviceclub, der für berufliche Vernetzung sorgen soll. Die Mitglieder sind aus privaten, kameradschaftlichen und vor allem aus emotionalen Gründen dabei.»

Jeder hat seinen Platz

«Klare Vorgaben gibt es auch für den Umzug.» Sagt’s und nimmt sogleich Stift und Papier in die Hand, um den Umzugstross aufzuzeichnen. „Zuvorderst laufen die Schwarzen mit der Laterne. Ihnen folgt die Kutsche mit dem Heiligen und dem Schmutzli, flankiert von der Garde (alles Männer mit einer stattlichen Grösse von mindestens 1.80 Meter). Ihnen folgen 80 bis 100 Rote und den Abschluss bilden wiederum einige Schwarze mit ihren Laternen.“

Auf dem Papier sieht das alles sehr nüchtern und strukturiert aus. In echt zieht mit der riesigen Menge an Samichläusen ein unvergesslicher Zauber durch die Strassen von Rorschach. «Wenn die Landschaft dann auch noch verschneit ist wie letztes Jahr, dann wird’s magisch.»

Genug Zeit für die Kinder
Der Umzug bewegt sich bewusst gemächlich. Aus der Kutsche wird gegrüsst und gewunken, am Strassenrand legen die roten Samichläuse Grittibänze, Nüssli und Mandarinen in Kinder- und Erwachsenenhände. Etwa nach einer Dreiviertelstunde findet sich der Tross auf dem Lindenplatz ein. „Dort entfernen sich die Chläuse und auf der Bühne setzt sich der Heilige auf seinen Thron, umrahmt von grauen Gardechläusen.»


Just in diesem Moment wird der Chlauseinzug zu einem Teil der wundervollen Aktion «Weihnachten in Rorschach», die im Advent jeden Tag auf dem Lindenplatz mit einem individuellen Rahmenprogramm ein Adventsfenster ums andere öffnet und damit die Besucherinnen und Besucher in Weihnachtsstimmung versetzt.


Es gibt Glühwein und Leckereien, das Samichlaus-Fenster wird feierlich geöffnet, eine Musikformation spielt und Kinderfüsse stapfen auf die Bühne. Thurnherr schwärmt gerührt: «Manche Kinder bringen dem Samichlaus selbst gemalte Zeichnungen oder Bastelsachen mit», und schmunzelt: «Heutzutage werden natürlich auch Selfies mit dem Samichlaus geschossen. Auch Chläuse müssen mit der Zeit gehen.»

Die Rolle des Samichlauses

Familien besuchen die Chläuse der Zunft St. Nikolaus keine. Thurnherr – der privat als Chlaus nur Kindergärten und befreundete Familien besucht – ist der Meinung, dass Samichläuse loben und tadeln dürfen. «Einem Kind auf nette Art Hinweise zu geben, was es im Alltag besser machen könnte, schadet ganz sicher nicht. Wichtig dabei ist es einfach, dass die Liste von Lob und Tadel gleich lang ist.»

Gemäss Thurnherr soll die Tradition in Rorschach noch ganz lange weiterleben: „Es ist so schön zu sehen, dass die Kinder auch heute noch an den Samichlaus glauben. Und ehrlich gesagt, ein bisschen HoHoHo und ein wenig Zauber machen die Vorweihnachtszeit zu etwas ganz Besonderem, oder?»

Text: Sandra Bischof, Fotos: Rorschacher Echo und Gregor Thurnherr

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