Eine Orgel zieht um

Der Umzug einer Orgel ist im Leben eines Orgelbauers eine wahre Seltenheit. Vielleicht passiert das nur ein einziges Mal. Für Alain Ott aus Basel ist dieses eine Mal gerade jetzt. Er durfte zusammen mit einem Team aus Spezialisten eine Orgel aus dem Jahr 1960 von der leerstehenden Kirche Marienburg in Thal in die Christkönigskirche in Buechen zügeln und dort wieder aufbauen. Wie es dazu kam, erzählt er voller Freude inmitten von Orgelpfeifen, Werkzeugen und Plänen.

Nach dem Verkauf des Marienburg-Areals mitsamt seiner Kirche wurde die Orgel, die zurecht als Königin der Instrumente bezeichnet wird, arbeitslos. Eins und eins kombiniert träumte der Organist der Seelsorgeeinheit, Stefan Wieske, von einem Umzug in die Kirche in Buechen. Anfang des Jahres reiste Orgelbauer Alain Ott aus Basel an, um das Instrument zu begutachten. Die Frage: «Kann man sie noch brauchen?» beantwortete Ott nach kurzer Inspektion mit «Ja, sicher.» Für die Seelsorgeeinheit Buechen-Staad war es der Beginn einer aussergewöhnlichen Aktion, die für alle Beteiligten unvergessen bleibt.

Aus Spargründen Abstriche beim Klang gemacht
Beim Bau der Christkönigskirche in Buechen-Staad im Jahr 1967 musste haushälterisch mit dem Geld umgegangen werden. Ins Budget passte damals «nur» eine elektronische Orgel. In den Ohren eines Organisten oder einer Organistin kein Vergleich zum Ton einer «richtigen» Orgel. So einer, wie sie in der Kirche der Marienburg stand. Ultrakompakt war die Orgel dort unter die Dachschräge eingepasst. Denn damals wurde noch jeder Sitzplatz dringend benötigt. Einige Pfeifen mussten sogar umgebaut oder besser gesagt nach unten gebogen werden. Gemäss Orgelbauer Ott kein Problem für den Ton, der trotzdem seinen Weg findet. Doch eine Wartung des Instruments war in dieser Enge schon fast eine Zumutung. Nun bekommt die Orgel in der Christkönigkirche in Buechen mehr Platz und ein zweites musikalisches Leben. «Die alte, elektronische Orgel darf übrigens ebenfalls weiterklingen. Sie wurde nach Bulgarien verschenkt», findet Ott richtig gut.

Der Umzug eines riesigen Puzzles
Der Orgelbauer ist froh, dass die Entfernung vom alten zum neuen Ort so klein war. Das machte vieles einfacher: «Für den Umzug wurde die Orgel vollständig zerlegt. Je nach Grösse der Teile diente vom Privatauto über Lieferwägen mit Anhänger bis hin zum Kran alles Mögliche.» Das alte Gehäuse war definitiv nicht mehr zu gebrauchen und wurde entsorgt. Ein Neues musste her. Dieses wurde von einheimischen Handwerkern kreiert, gebaut und in die Empore der Kirche eingepasst. «Das neue Haus der Orgel bietet wesentlich mehr Platz für die Wartung. Das war meine Bedingung für einen Umzug und Wiederaufbau», erklärt Ott. Der Umzug startete vor zwei Monaten. Seither ist ein Team aus fünf Orgelbauern und einer Drechslerin mit dem Zusammensetzen der Teile beschäftigt. Ein Elektriker, der gerade vor Ort ist, erlebt ebenfalls eine Premiere: «Ab und zu fragen mich die Leute, wie ich bloss den Durchblick behalte bei den vielen farbigen Kabeln. Dies hier ist für mich um einiges verblüffender.»

Allein die Gesamtzahl der Pfeifen beträgt 1253. «Nur» 41 davon – die Prospektpfeifen – sieht man am Ende vom Kirchenraum aus. Die Pfeifen sind entweder aus Tannenholz oder aus einer Zinn-Blei-Mischung. Sie werden vor dem Einbau gereinigt und geformt und zu guter Letzt gestimmt, was ein bis zwei Tage in Anspruch nimmt. Wichtigstes Instrument dabei: das menschliche Ohr. «Es ist genauer als jede Maschine und kann auch mehrere Töne auf einmal auf ihren harmonischen Klang überprüfen», erklärt Ott.

Seltener Zimbelstern sorgt für eine besondere Atmosphäre
Die neue Orgel bekommt etwas ganz Seltenes: einen Zimbelstern. Organist Wieske musste sich wohl wie bei Happy Day gefühlt haben, als ihm in letzter Minute dieser ganz besondere Wunsch erfüllt wurde. Ein Zimbelstern ist ein besonderes Register, eine Klangfarbe, die nur selten bei Orgeln vorhanden ist. Es tönt wie die Glöckchen des Weihnachtsmanns auf seinem Schlitten. Die sechs goldenen Glöckchen erschaffen eine ganz besondere Atmosphäre. Beim Gedanken an diesen engelsgleichen Klang kommt schon fast ein wenig Weihnachtsstimmung auf. Optisch nehmen die Kirchenbesucher einen sich drehenden Stern an der Front des Orgelhauses wahr, der mit dem Glockenspiel verbunden ist.

Orgel-Einweihung am Christkönig Kirchenfest
Die Arbeiten an der Orgel sind im Endspurt, auch wenn es da mit Blick auf den Empor-Raum noch sehr viel Vorstellungskraft braucht. Ott ist zuversichtlich und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. «Eingeweiht wird auf jeden Fall am Sonntag, 20. November. Das wird ein besonderes Erlebnis für uns alle.»

Der Festgottesdienst, der um 10 Uhr beginnt, wird von P. Stephan Dähler, Provinzial der Steyler Missionare, gehalten. Nach der Orgelweihe wird zusammen das erste Lied angestimmt. Umrandet wird die Feier vom Kirchenchor Cantamus und dem Orchesterverein Rorschach, die zusammen die Missa brevis in d-Moll von Mozart aufführen. Im Anschluss an den Festgottesdienst lädt die Frauengemeinschaft Buechen-Staad zum traditionellen Spaghetti-Zmittag in den Pfarrsaal ein.

Puzzleteile einer Orgel

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